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Enttäuschte Erwartungen

Sonntag, 13. Dezember 2020
40 Minuten
Enttäuschte Erwartungen

Bist du, der da kommen soll? Oder sollen wir auf einen anderen warten? Diese Frage kommt nicht von einem Zweifler am Straßenrand – sie kommt von Johannes dem Täufer, dem Mann, der Jesus als das Lamm Gottes verkündigt hat, der die Stimme vom Himmel hörte und den Geist wie eine Taube herabkommen sah. Wie kann es sein, dass ausgerechnet er diese Frage stellt?

Johannes sitzt im Gefängnis des Herodes Antipas. Acht bis zehn Monate vergehen. Draußen heilt Jesus Blinde, Lahme und Aussätzige. Er verkündigt das Evangelium in aller Freiheit. Aber von Jesus selbst? Funkstille. Keine Nachricht, kein Trost, kein Besuch. Johannes, der sich voll für Jesus eingesetzt hat, der zurückgetreten ist mit den Worten "Er muss zunehmen, ich muss abnehmen" – sitzt vergessen im Kerker. Oder fühlt es sich zumindest so an.

Was geht in uns vor, wenn wir Fragen stellen? Welche Motive stecken wirklich dahinter? Die Antwort Jesu enthüllt, was Johannes tatsächlich bewegte: "Glückselig ist, wer sich nicht an mir ärgert." Das griechische Wort meint "Skandal" – Jesus spricht von einem Stein des Anstoßes. Johannes hatte Erwartungen. Er kannte Jesaja 61: Der Messias sollte Gefangene befreien. Warum also befreit Jesus ihn nicht?

Wie oft sind wir frustriert, weil Gott nicht unseren Vorstellungen entspricht? Weil er nicht handelt, wie wir es erwarten? Weil der Parkplatz vor unserer Nase besetzt wird, weil niemand zum Geburtstag gratuliert, weil wir im Krankenhaus nicht besucht werden? Was für ein Kontrast zu Johannes im Gefängnis!

Enttäuschte Erwartungen – das klingt zunächst negativ. Aber was, wenn die Enttäuschung genau das ist: das Ende einer Täuschung? Die Chance zur Korrektur? Jesus hat sich einmal nach uns gerichtet, als er Mensch wurde. Aber fortan will er, dass wir uns nach ihm richten. Die Frage ist: Nehmen wir Jesus als Fels, auf dem wir bauen – oder wird er uns zum Stein des Anstoßes?

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